“Man kann nicht nicht kommunizieren”. Dieser Satz von Paul Watzlawick, den Lena Glodde direkt zu Beginn zitiert, begegnete mir schon in meinem Soziologiestudium, in Vertriebsschulungen, in Führungsseminaren und wer weiß wo sonst noch. Normalerweise erzeugt man mit diesem Zitat bei mir daher nur ein müdes Lächeln. Ihn aber im Zusammenhang mit dem Thema Kindererziehung wiederzutreffen, machte mich dann doch neugierig.
Kommunikation ist mehr als nur miteinander zu sprechen
Die Kommunikation mit unseren Kindern ist also doch mehr als schimpfen, spielen, singen und trösten. Klar, eigentlich wissen wir das. Aber mal ganz ehrlich: Wer von uns Eltern denkt im stressigen Alltag wirklich darüber nach? Und vor allem, selbst wenn wir darüber nachdenken, wer von uns zieht tatsächlich die richtigen Schlüsse, wenn er über die eigenen Erziehungstechniken nachdenkt und feststellt, dass man hier und da vielleicht anders hätte reagieren können?
Lena Glodde reißt einen auf rasend schnell aufgesogenen 70 Seiten für kurze Zeit aus dem Alltag heraus und lässt uns erfahren, was Kommunikation ist und wie unsere Kinder unser Trösten, Schimpfen und Loben auffassen und vor allem, wie allgemeine Floskeln wie “War doch gar nicht so schlimm” oder “Wenn du jetzt nicht brav bist, gehst du auf dein Zimmer” auf unsere Kinder wirken.
Um sich dem Thema zu nähern wird in einem kurzen Theorieteil kurz erklärt, welche Bedeutung Bindung und Mitgefühl für das Kind haben und, mit Hinblick auf die Jahrtausende währende Evolution, warum es Quatsch ist, Kinder schreien zu lassen oder warum die zeitweise Isolation von Kleinkindern in ihren Zimmern keine geeignete Maßnahme ist, um ein Fehlverhalten nachhaltig abzustellen. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rolle von Emotionen eingegangen, einerseits um deutlich zu machen, wie emotionale Reaktionen unserer Kinder zu verstehen sind, andererseits aber auch, um uns zu spiegeln, wie unsere eigenen Emotionen auf unsere Kinder wirken – sowohl positiv als auch negativ.
Aufrichtigkeit, Empathie und Geduld als Voraussetzung für eine gute Kommunikation
Und dann geht es auch schon direkt in den praktischen Teil. Nachdem mich der erste Teil schon zum Nachdenken gebracht, aber vor allem darin bestärkt hat, dass ich als Vater im Großen und Ganzen schon auf einem guten Weg bin und ich die Ratschläge von selbsternannten Erziehungsexperten der vorwiegend älteren Generation getrost in die Tonne treten kann, lese ich mich nun interessiert in die praxisnah beschriebenen Kommunikationstechniken für den Alltag ein. Klar, positive Grundeinstellung, Ehrlich sein – eigentlich alles banale Dinge, wenn man sein Kind liebt und engagiert bei der Sache ist. Aber wenn nach einem anstrengenden Arbeitstag zu Hause mal wieder das Chaos ausbricht, ist es doch gut, dass einem noch einmal ganz explizit und mit Praxisbeispielen deutlich gemacht wurde, dass ein Gewisses Maß an Empathie, Aufrichtigkeit, Geduld und die Gewissheit, dass Dinge wie Trotz keine Absicht des Kindes sind, um uns als Eltern zu ärgern, sondern dass es sich um einen wichtigen Teil des kindlichen Entwicklungsprozesses handelt.
Aktives Zuhören: Emotionen und Erfahrungen des Kindes spiegeln
Besonders beeindruckt hat mich vor allem die Technik des aktiven Zuhörens. Hierbei geht es darum, Gefühle und Erlebnisse des Kindes aufzunehmen, mit eigenen Worten zu wiederholen und auf diese Weise das Erlebte dem Kind gegenüber zu spiegeln. Ein Beispiel wäre nach einem Sturz nicht zu sagen “Hat doch gar nicht weh getan” sondern “Oh, das tat bestimmt weh und jetzt bist du wirklich traurig, weil du einen ordentlichen Schreck bekommen hast”. Jetzt wo ich es schwarz auf weiß lese, wird mir natürlich klar, dass ersteres etwas von Ignoranz hat, während letzteres echtes Mitgefühl ausdrückt. Die Kommunikationsform des aktiven Zuhörens ist mir ja als Managementtechnik in Unternehmen durch meinen Beruf bekannt. Nie im Traum wäre es mir jedoch eingefallen, mit meinem Kind so zu kommunizieren. Und ich muss sagen, es funktioniert tatsächlich. Konflikte sind schneller ausgestanden, Schmerzen lassen schneller nach und Tränen trocknen schneller, wenn man ein Paar kleine Aspekte in seiner Kommunikation mit den Kleinen verändert und diese Techniken verinnerlicht.
Fazit: lesen und ausprobieren
Ich will einmal behaupten, dass der Alltag mit unserem knapp 2-jährigen Sohn insgesamt recht harmonisch verläuft, mal abgesehen von ab und zu auftretenden cholerischen Ausbrüchen in der Öffentlichkeit und dem Monatshöhepunkt, wenn der Spaghettiteller wieder wie ein Ufo durchs Wohnzimmer fliegt. Aber meine Frau und ich halten uns selbst für liebevoll, empathisch und konsequent in unserer Kindererziehung. Und trotzdem: Bei vielen Aspekten unserer Kommunikation mit unserem Sohn hat uns das Buch doch noch einmal die Augen geöffnet. Besonders gefallen hat uns, dass das Buch nicht wie eine wissenschaftliche Abhandlung gegliedert ist. Es wird immer kurz auf bestimmte Aspekte eingezoomt, anhand von praktischen Beispielen erklärt und wenn der Groschen gefallen ist, geht es gleich weiter zum nächsten Thema. Genau das Richtige Format, wenn es darum geht, schnell etwas Neues dazuzulernen.
Kurz und knapp: Ein schnell verschlungener Augenöffner, der einen die eigenen Kinder plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Das Buch bekommt ihr bei Amazon.de oder direkt auf dem Blog von Lena Glodde