Zweisprachig aufwachsen – eine tolle Sache, aber nicht immer ganz einfach

Zweisprachig aufwachsen – eine tolle Sache, aber nicht immer ganz einfach

“Komm her, Papa, jeg fanger dig”. Das bedeutet in etwa “Komm her, Papa, ich fang dich”. Auch wir als Eltern müssen oft zwei bis drei mal hinhören, bis wir verstehen, was unser Kind uns eigentlich sagen will. Nicht nur, weil die Wörter nicht immer deutlich ausgesprochen werden, sondern auch, weil wir uns immer erst hineinhören müssen, welche Sprache er sich gerade ausgesucht hat. Bei uns werden zwei Sprachen gesprochen. Meine Frau und ich sprechen deutsch miteinander, während sie mit unserem Sohn dänisch spricht. Ich spreche überwiegend deutsch mit ihm, wobei ich mich manchmal auch dabei ertappe ins Dänische zu verfallen. Das weitere Umfeld unseres Sohnes ist dann auch sehr gemischt. Bei den Schwiegereltern und der übrigen Familie meiner Frau wird dänisch gesprochen, während meine Familie deutsch spricht. Er geht in eine dänischsprachige Kita, wo die Erzieher dänisch sprechen, die Kinder jedoch je nach Herkunft mal so mal so miteinander sprechen.

Aufwachsen mit zwei Muttersprachen

Wir befinden uns gerade in der sehr spannenden Phase, wo unser Sohn anfängt in ganzen Sätzen zu sprechen. Insgesamt ist das Thema Sprechenlernen für uns gerade sehr interessant. Meine Frau und ich haben jeweils Dänisch und Deutsch erst als zweite Muttersprache gelernt. Meine Frau kam mit 7 Jahren mit ihrer Familie aus Dänemark nach Deutschland und lernte in der Schule deutsch. Jemand, der sie nicht kennt, wird nicht merken, dass sie Dänin ist, wenn er oder sie mit ihr spricht. Ich begann dänisch zu lernen, als ich mit 3 Jahren in einen dänischen Kindergarten kam. Wenn ich in Dänemark unterwegs bin, fällt den Menschen schon auf, dass ich einen Akzent habe. Sie können ihn jedoch oft nicht zuordnen.

Natürlich stellte sich für uns schnell die Frage, wie wir mit dem Schatz der Zweisprachigkeit umgehen sollen. Wir waren uns sofort einig, dass wir den Jungen gleichwertig mit beiden Sprachen großziehen wollen. Auch war es uns wichtig, dass wir jeweils in der Sprache mit ihm kommunizieren, die uns in die Wiege gelegt wurde. Dadurch wurde schnell klar, dass wir auf unserer jeweils ersten Muttersprache mit ihm sprechen würden. Seit dem spreche ich mit ihm deutsch und meine Frau mit ihm dänisch. Bei unseren Familien wird natürlich die Sprache der jeweiligen Herkunft der Familienmitglieder gesprochen, wobei wir ihn weiterhin auf der jeweiligen ersten Muttersprache des Elternteils direkt ansprechen.

Zweisprachig Aufwachsen ist eine Herausforderung, die sich lohnt!

Das Ganze führt natürlich dazu, dass es mit dem Sprechenlernen etwas langsamer voran geht. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der Junge für jeden Gegenstand zwei Wörter lernen muss, die dann teilweise auch noch ähnlich klingen.

So kommen dann auch regelmäßig Mischsätze zustande wie “Jeg er tørstig, Wasser haben” (Ich bin durstig und möchte Wasser). Was uns allerdings auffällt, ist, dass er bei uns Eltern die Sprachen bunt miteinander vermischt. Wenn er jedoch mit seiner deutschen Oma spricht, hält er sich ziemlich konsequent an seinen deutschen Wortschatz. Das gleiche gilt für Besuche bei meinen dänischen Schwiegereltern, wo er sich überwiegend mit seinem vorhandenen dänischen Wortschatz durchschlägt.

Zweisprachig aufwachsen – eine tolle Sache, aber nicht immer ganz einfach

Mit der Sprache allein ist es nicht getan

Die Leistung, die unser Sohn jeden Tag erbringen muss, ist beeindruckend. Ich weiß noch, wie mühsam es war, sich in der Grundschule Englisch anzueignen und wie ich das Gefühl hatte in meinem Studium in Australien praktisch wieder von vorn anzufangen, was Aussprache und Sprachfluss betrifft. Unser Sohn hat nun die Möglichkeit zwei Sprachen spielerisch im Alltag zu lernen und profitiert hoffentlich später so wie wir von diesem glücklichen Zufall. Allerdings mussten wir schnell einige Entscheidungen treffen, damit er vom zweisprachigen Aufwachsen wirklich etwas hat. Eine Sprache zu sprechen ist ja ganz nett. Aber Sprache hängt auch immer ganz eng mit der Kultur des jeweiligen Landes zusammen und nicht zuletzt auch damit, richtig lesen und schreiben zu können. Daher beschlossen wir vor einem halben Jahr unsere Zelte in Hamburg abzubrechen und in unsere Flensburger Heimat zurückzukehren. Hier gibt es im Rahmen der dänischen Minderheit, in der wir Eltern aufgewachsen sind, ein dichtes Netz an dänischen Kindergärten, Schulen und Vereinen, wo der Junge beide kulturelle Welten erleben und erlernen kann. Im Umfeld der Minderheit wird dänisch gesprochen, während der Alltag in Flensburg und Umgebung vom Deutschen der Mehrheitsbevölkerung geprägt ist. An den Schulen werden beide Sprachen gleichberechtigt unterrichtet und am Ende der Schullaufbahn steht ein Schulabschluss, der sowohl in Dänemark als auch in Deutschland uneingeschränkt anerkannt ist und die Möglichkeit bietet, in beiden Ländern beruflich Fuß zu fassen. Der Abschied aus Hamburg ist uns sicher nicht leicht gefallen. Aber in letzter Konsequenz mischte sich unser Drang in die Heimat zurückzukehren mit dem Wunsch, unserem Sohn die gleichen Möglichkeiten zu bieten, wie wir sie damals genossen haben.

Spannend wird es jetzt für uns als Eltern zu sehen, welche Sprache sich als seine erste Muttersprache herausbilden wird. Bei uns war es ja damals eindeutig, da wir eine Sprache erst später nach der ersten erlernt haben. Vielleicht wird er auch beide Sprachen komplett gleichberechtigt sprechen lernen, sodass man keinen Unterschied merkt. Uns macht es jedenfalls viel Freude, mitzuerleben, wie unser Sohn als Grenzgänger im Noch-Kauderwelsch zwischen den Sprachen herumirrt, wobei uns sein Lerntempo immer wieder erstaunt. Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen auf jeden Fall, dass sich der Aufwand lohnt und dass die Mehrsprachigkeit auch unseren familiären Alltag bereichert.

Tipps für das zweisprachige Aufwachsen und die Förderung von Fremdsprachen

Im Zuge unserer Erfahrungen haben wir im folgenden noch einige Tipps zusammengestellt, wie ihr euren Kindern das Erlernen von mehreren Sprachen erleichtern könnt. Diese haben wir jeweils für Eltern aufgeteilt, wo es mindestens zwei unterschiedliche Muttersprachler gibt, und solche, wo beide Eltern Deutsche sind. Richtig gehört, auch wenn weder Mutter noch Vater eine Fremdsprache sprechen, kann man einiges dafür tun, damit den Kindern insbesondere das Englischlernen leichter fällt.

 

Tipps für Eltern, wo beide Elternteile Deutsche sind:

  • Kein falscher Ehrgeiz. Eine rein intellektuelle oder idealistische Motivation wird nicht reichen, um eine Sprache spielerisch und mit Freude zu vermitteln. Fragt euch erst, ob ihr eine Sprache gut genug beherrscht und ob ihr euch wohl dabei fühlt, mit eurem Kind in der jeweiligen Fremdsprache zu sprechen. Denn Sprachenlernen  geschieht vor allem über eine emotionale Bindung zu einer Sprache und den Menschen, die sie sprechen. Wenn diese nicht mal bei den Eltern vorhanden ist, wie soll diese dann von den Eltern vermittelt werden.
  • Den Kindern spannende Angebote machen. Gerade das Englisch-Lernen ist nicht nur die Aufgabe der Schule. Auch als Eltern kann man den Kindern Angebote machen, im Kreis der Familie mit der Fremdsprache in Kontakt zu bleiben. So kann man die Lieblingsbücher der Kinder als Hörbuch in Originalsprache beschaffen und diese abends gemeinsam hören. Auf diese Weise habe ich als Kind die Harry Potter-Reihe mehrfach verschlungen.
  • Land und Leute kennenlernen. Für mich war es als Kind immer das Größte, wenn meine Eltern mit mir nach Dänemark oder England fuhren und ich endlich zeigen konnte, was ich mit meinen Fremdsprachen anstellen konnte. Es erfüllt ein Kind mit stolz, wenn es ein Eis oder ein Bahnticket unter Verwendung der jeweiligen Landessprache kaufen kann. Auf diese Weise erhält die Fremdsprache auch eine praktische Relevanz.
  • Filme und Serien in Originalsprache schauen. Gerade im Original englischsprachige Serien und Filme können gemeinsam auf Englisch mit deutschen Untertiteln angeschaut werden, wenn die Kinder bereits lesen können. In Dänemark werden Filme nicht synchronisiert und ich wurde so zwangsläufig früh ans englische Herangeführt. Nebenbei trainieren so auch die Eltern ihre Englischkenntnisse.

 

Tipps für Eltern, wo mindestens ein Elternteil eine andere Muttersprache hat:

  • Mit dem Kind in der jeweiligen Muttersprache sprechen. Die Muttersprache ist ein gewaltiger Teil der eigenen Persönlichkeit, die die Herkunft und Kultur einer Person widerspiegelt. Eine Fremdsprache oder auch zweite Muttersprache legt immer einen kleinen Schleier über die eigene Persönlichkeit. Daher sollte man immer mit seinem Kind in der eigenen Muttersprache sprechen, auch wenn das dazu führt, dass der eigene Haushalt für Außenstehende ein sprachliches Wirrwarr darstellen kann.
  • Dem Kind auch ein kulturelles Umfeld für die Sprache bieten. Wir hören mit unserem Kleinen regelmäßig landestypische Kindermusik, besuchen häufig Familie und Freunde im jeweiligen Heimatland und lesen Kinderbücher von bekannten  landestypischen Verfassern
  • Sprache und Kultur über Musik vermitteln. Das gemeinsame Singen ist grundsätzlich etwas schönes für die gesamte Familie und leider in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern etwas eingeschlafen. Das gemeinsame Singen von Kinderliedern ist aber eine besonders schöne Art und Weise, mit der Sprache umzugehen und gleichzeitig vermittelt man so spielerisch landestypische Kultur.
  • Spaß haben und künstliches Lernen vermeiden. Sprachen sollten im Alltag mitschwimmen. Vokabeln lernen und ständiges Korrigieren versauern allen den Tag. Die Sprachen kommen ganz von allein, wenn man sie im Alltag spricht, hört und lebt.